Wird am Weiterbau von Stuttgart 21 festgehalten, obwohl das Bahnprojekt unwirtschaftlich ist?
Der grüne Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Anton Hofreiter, behauptet, dass Stuttgart 21 ein "längst unwirtschaftlich gewordene[s] Projekt" sei, das die Deutsche Bahn AG "aktienrechtswidrig zu einer möglichen Realisierung verhelfen" wolle, und begründet dies mit "überhöhten Ausstiegskosten": "Die von der Bahn gebetsmühlenartig vorgetragenen und völlig überhöhten 2 Milliarden Euro für den Ausstieg entbehren jeder sachlichen Grundlage und dienen einzig und allein dazu, das Projekt auf dem Papier knapp vor einer negativen Eigenkapitalverzinsung zu bewahren." Quelle: http://www.toni-hofreiter.de/ansicht.php?veranst_id=1574 Nach Auffassung der Kanzlerin müsse, so ein Regierungssprecher, das Projekt auch wirtschaftlich sein. Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/stuttgart-21-hermann-fuerchtet-groesseres-desaster-als-bei-ber-a-881903.html Hofreiter geht von Folgendem aus: "Es sei offensichtlich, dass S 21 nur noch aus machtpolitischen Interessen der FDP und der Union weitergeführt werde." http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-bahn-s-21-erreicht-wirtschaftlichkeit-nicht-mehr.e8a1fa54-ed1b-4c28-869e-d811518d2afc.html
Stimmt Hofreiters Behauptung, dass Stuttgart 21 unwirtschaftlich ist?
Traumflug
Meiner Meinung nach stellt sich die aktuelle Lage aus folgenden begrenzenden Argumenten zusammen:
Die Bahn berechnet nur die Wirtschaftlichkeit für sich selbst. Aus der Sicht eines Unternehmens ist das völlig richtig, gleichzeitig werden jedoch all die Zuschüsse vom Bund, dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart nicht als Ausgaben, sondern als Einnahmen gewertet. Für Politiker des Bundestages sollte jedoch nicht die betriebliche, sondern die volkswirtschaftliche Wirtschaftlichkeit ausschlaggebend sein, Zuschüsse sollten also als die Wirtschaftlichkeit mindernde Ausgaben in die Berechnungen einfliessen.
Der Bahn-Vorstand hat bereits zugegeben, dass trotzdem die betriebliche Wirtschaftlichkeit ausserordentlich knapp ist und eine Fortführung nur rund 70 Millionen weniger als ein Abbruch kostet. Quelle: ARD Tagesschau
Die Wirtschaftlichkeit beruht zu wesentlichen Teilen darauf, dass ein Abbruch des Projekts mit Kosten verbunden ist. Diese werden von der Bahn zu hoch angesetzt, z.B. werden Kosten für die Rückabwicklung von Grundstücken berechnet, die gar nicht mehr zurück gegeben werden können. Quelle: Kontext-Wochenzeitung, Email von Oberbürgermeister Fritz Kuhn
Die Wirtschaftlichkeit bedingt offensichtlich auch, dass sich die Bahn weitere Zahlungen von der Stadt und dem Land erhalten. Diese lehnen das jedoch vehement ab, worauf hin die Bahn einen Rechtsstreit angekündigt hat. Quelle: auch ARD Tagesschau
Ob alle Projektrisiken halbwegs realistisch bewertet und berüchsichtigt wurden, steht in den Sternen. Laut Aussage von Dr. Kefer in der Schlichtung ist es gewollt, unbekannte Risiken nicht vorzeitig abzuschätzen (und so bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu ignorieren), um "einen Spannungsbogen zu erhalten". Die Projektrisiken sind ganz erheblich, man denke nur an den nach wie vor nicht gelösten Brandschutz, den evtl. notwendigen Erhalt des Kopfbahnhofs (Kapazitätsminderung, Dieseltraktionsverbot in Verbindung mit §11 AEG) oder den äusserst anspruchsvollen stuttgarter Untergrund (Gipskeuper).